Am 28.6. wurde in einer Zoom-Konferenz der Plan der BUKEA für die Hamburger Binnendeiche vorgestellt, bzw. für die Dörfer und Häuser, die in oder auf diesen Binnendeichen liegen.
Wer ist die BUKEA?
Die BUKEA ist die Hamburger „Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft“. Sie ist für den Hochwasserschutz zuständig.
Schon vor der Zoom-Konferenz war „durchgesickert“, dass die BUKEA jetzt viele Häuser von den Binnendeichen entfernen will und das sorgte schon im Vorfeld für Unruhe.
Welche Binnendeichabschnitte in Hamburg sind denn von diesen Maßnahmen betroffen?
Es sind die Bereiche der Dove-Elbe, der Billwerder Bucht und Cranz.
Angesichts eines solchen weitreichenden Planes wäre es eigentlich selbstverständlich gewesen, Präsenzveranstaltungen in den betroffenen Orten abzuhalten, um vielen – insbesondere auch älteren Mitbürgern- die Teilnahme an der Vorstellung zu ermöglichen. Dies wurde bewusst nicht getan und von der Bürgerschaftsabgeordneten Gudrun Schittek aus Cranz zu Beginn der Zoom-Konferenz stark kritisiert. Und auch uns erschien es so, als wolle man einen weitreichenden, bis in die Eigentumsverhältnisse der Bürger hereinreichenden Plan, auf kaltem Wege ohne große Öffentlichkeit durchpeitschen.
Wie weit ist der Plan dann bereits gediehen?
Die meistgebrauchten Worte der Behörde zu Beginn waren „vorläufig, Grobkonzept, Diskussion, …“. Also doch noch nichts ausgemacht? Nein, der Plan der Behörde ist bereits hammerhart gefasst.
Im Bereich der Tatenberger Schleuse werden bereits Häuser aufgekauft. So viel zum Thema Bürgernähe und Demokratieverständnis der BUKEA.
Was soll eigentlich in der Sache passieren?
- Eigentlich möchte die BUKEA grundsätzlich keine Häuser auf oder am Deich haben? Weil ein genereller Aufkauf und Abriss der Häuser kaum rechtssicher und ohne großen politischen Widerstand zu erreichen wäre, hat man sich auf die Salamitaktik verlegt.
- Es wird ein „virtueller Deich“ angenommen, der intakt sein muss. Am Beispiel Cranz wären das z.B. Höhe 4 Meter über NN und 23 Meter Breite am Deichfuß. Ist der Deich insgesamt höher und breiter – und dass ist in Cranz ganz deutlich der Fall – so sollen alle Häuser weichen, die in diesen virtuellen Deich hineinragen.
- Davon sollen nach Auswertung der BUKEA 10 Häuser in Cranz betroffen sein, aber eine viel höhere Anzahl an der Tatenberger Schleuse.
- Es wird nicht sofort enteignet. Die Stadt hat für sich ein Vorkaufsrecht vorbehalten. Werden Häuser verkauft, tritt die Hamburger BUKEA in die Verträge zum Verkehrswert ein.
- Wir können davon ausgehen, dass dann die Häuser aus dem Deich entfernt werden, denn ansonsten macht der Plan keinen Sinn.
- Es wird in 2 Stufen geplant: Bis zum Jahr 2030 und bis zum Jahr 2100 (!!!?).
- Wir gehen davon aus – gerade weil über das Jahr 2030 hinausgedacht wird – nicht nur die 10 betroffenen Häuser zu entfernen, sondern die ganzen Dörfer „abzuwickeln“.
Kein Wunder, dass es bei einem solchen Plan einen großen Protest der Bürger gibt.
Zur Erinnerung: Es ist noch nicht lange her, dass bei uns in Niedersachsen alle Häuser auf dem Deich und in einer 50-Meter-Zone am Deich entfernt werden sollten, um hohe Schutzdeiche zu errichten, damit man sich im Hinterland jedweden Hochwasserschutz ersparen könnte. Stattdessen sollte zwischen den Deichen große Speicherbecken entstehen, die man aus Küstenschutzmitteln des Bundes bezahlen wollte.
Dieser fast skrupellos zu nennende Plan ist bei uns gescheitert. Anstatt Häuserabrisse wird jetzt im Rahmen der Estepartnerschaft ein integrales Hochwasserschutzkonzept erarbeitet, dass neben dem Deichschutz auch viele Retentionsmaßnahmen entlang des ganzen Flussverlaufes vorsieht. Außerdem verlangen viele – auch der Deichverband der 2. Meile – dass an der Estemündung ein Schöpfwerk errichtet wird.
Bei uns ist alles auf einem guten Weg. Wir haben im letzten Artikel auf dieser Webseite darüber berichtet.
Jetzt zu unserer Kritik an diesem Plan der BUKEA. Unsere Kritik ist hart.
Der Plan vollkommen unsinnig, bürgerfeindlich und letztlich ideologisch oder nur politisch motiviert.
Vorab:
Hochwasserschutz ist sehr wichtig, gerade auch in unserem eigenen Interesse.
- Wäre eine wirkliche Hochwassergefahr gegeben
- und gäbe es keine wirkungsvolleren Maßnahmen
- und könnte man die Bebauung auf dem Deich nicht ertüchtigen,
dann müsste man in der Tat eine Deichbebauung in Frage stellen.
Aber keines dieser drei Kriterien trifft zu.
- Welche Hochwassergefahren gibt es für Cranz?
Die BUKEA nennt Starkregenereignisse aus dem Hinterland als ein wichtiges Gefahrenszenario mit einen hohen Wasserabfluss in der Este bei geöffnetem Sperrwerk
(wir nennen das in Nds. Lastfall 1) und den kritischeren Fall des hohen Wasserabflusses bei gleichzeitig geschlossenem Sperrwerk (wir nennen das Lastfall 2).
Über die Deichhöhen von Buxtehude bis Cranz wurde nichts erwähnt, so wie alle Maßnahmen der Estepartnerschaft vollkommen ausgeblendet wurden.
Entscheidend sind doch aber die Deichhöhen entlang der gesamten Este.
Hier haben wir die Situation, dass die Deiche in Cranz deutlich höher liegen als im gesamten Abschnitt bis Buxtehude. Das hängt damit zusammen, dass das Land an der Elbe 1- 1,5 Meter höher liegt als im Alten Land, da sich die Elbe nach der letzten Eiszeit aus dem gesamten Urstromtal bis ins heutige Flussbett zurückgezogen hat und die letzten Überflutungsbereiche die höchsten Sedimentablagerungen aufweisen. Also liegen auch die Deichhöhen bis zu 5m über NN deutlich über denen im Alten Land. Der ganze Deich bis Buxtehude ist eine einzige 10km lange „Überlaufschwelle“. Es ist unsinnig, hier irgendeine direkte Hochwassergefahr für Cranz anzunehmen.
Dieser Hochwasserfall ist absolut konstruiert, es gibt ihn nicht wirklich. Anstatt realer Analyse werden allgemeine Deichbauregeln herangezogen.
Das ist nicht nur sachfremd, sondern eben auch bürokratisch und bürgerfern.
Dann gibt es die Sturmflutgefahren von der Elbe her.
- Deshalb gibt es ein äußeres Sturmflutsperrwerk an der Estemündung, dass bei 2,80 Meter über NN schließt.
Das ist unsere Hauptversicherung gegenüber einer schweren Sturmflut!
Das kann man nicht deutlich genug wiederholen. Will man den Sturmflutschutz verbessern, muss man das äußere Sperrwerk sicherer machen. Hier ist die Situation geradezu fahrlässig.
Die Sperrwerkstore stecken bis zu 2 Meter tief im Schlick. Immer wieder kommt es zu Havarien des Sperrwerks.In den letzten Jahren haben wir 2 große Havarien erlebt und hatten großes Glück, dass nichts passiert ist. Daneben gab und gibt es kleine Havarien, die von benachbarten Bürgern berichtet werden, aber nicht offiziell mitgeteilt werden.
Wenn zudem eine große Sturmflut in die Este eindringen würde, sind alle Deichhöhen
ob 4 Meter virtuell oder 5 Meter real – nicht ausreichend. Dann bräuchte man quasi Außendeiche.
Was für ein „Quatsch“ jetzt über Deichbebauung in Cranz nachzudenken, wenn das wichtigste – das äußere Sperrwerk – zum Sicherheitsrisiko geworden ist.
Über das äußere Sperrwerk wurde in der Zoom-Konferenz der BUKEA kein Wort verloren.
Stärker kann man sich nicht disqualifizieren.
Aber vielleicht traut die BUKEA ihrem eigenen Sperrwerk grundsätzlich nicht mehr, denn immerhin wird als Punkt 1 der Gefahren ein Versagen von Deich oder Sperrwerk genannt!!!
Sollte das Sperrwerk tatsächlich auch in Zukunft immer mal wieder auch ohne Sturmflut havarieren, dann könnten Pegelhöhen in Cranz bis zu 5 Meter auftreten. Das wäre tatsächlich eine reale Gefahr. Die normale Reaktion wäre doch dann erst recht, den Sperrwerksbereich auszubaggern und das Sturmflutsperrwerk absolut „krisensicher“ zu machen. Da kann man doch nicht Häuser vom Deich nehmen und ansonsten hoffen, dass es nicht so schlimm kommt. - Zur Bebauungssituation:
Es ist absolut nicht erwiesen, dass Hochwassersituationen wie in Cranz verbessert werden, wenn man Häuser aus der Häuserzeile herausnimmt. Die BUKEA behauptet, jedes Haus auf dem Deich sei eine Gefahr, insbesondere wenn es vom über die Deichkrone überfließendem Wasser umströmt wird.
Selbst wenn man dieses unterstellt, sind die Maßnahmen erst recht nicht einsichtig. Wenn man viele Lücken in die Häuserzeile auf dem Deich reißt, entstehen immer mehr potentielle Überströmbereiche. Würde man diese Begründung erst nehmen, würde man z.B. mit Dammbalkensystemen zwischen den Gebäuden auf dem Deich eine einheitliche Sicherheitslinie bilden, um das Überströmen generell zu verhindern.
Diese Argumente sind absolut nicht einsichtig.
Außerdem kann man bei Neubauten oder Umbauten an Häuser auf dem Deich, diese z.B. mit tiefen Fundamenten oder Mauern ertüchtigen. Solche angepassten Lösungen würden die Sicherheit in jedem Einzelfall erhöhen. - Warum will Hamburg kein Schöpfwerk ?????
Hamburg muss sich seit längerem mit der Forderung vieler Bürger und dem Deichverband der 2. Meile auseinandersetzen, man solle ein Schöpfwerk an der Estemündung vorsehen.
Gerade in diesem Frühjahr hat die Hamburger Bürgerschaft einstimmig gefordert, die zuständigen Behörden sollten den Bau eines Schöpfwerkes an der Süderelbe und an der Estemündung prüfen. Darüber hat die BUKEA von sich aus bisher nur geschwiegen und wollte auch auf der Zoom-Konferenz nicht darauf eingehen. Auf die Forderung mehrerer Teilnehmer nach einem solchen Schöpfwerk wurde nur lapidar geantwortet: „Man können doch nicht andauernd schöpfen.“ Was für eine herablassende Antwort.
Erst einmal hatte keiner gefordert, andauernd zu schöpfen.
Aber es ist heute geradezu ein Standard im Hochwasserschutz, dass an Flussmündungen von Nebenflüssen oder großen Entwässerungsanlagen Schöpfwerke gebaut werden. Es ist geradezu ein Gebot der Stunde. Selbst Hamburg hat Schöpfwerke, z.B. an der Alster.
Es wurde ganz deutlich: Man will einfach nicht.
Stattdessen wird wieder in die Lebenssituation und in das Eigentum der Anlieger eingegriffen.
Warum will man eigentlich nicht? Meistens sind es doch finanzielle Gründe.
In diesem Fall liegt die Sache aber anders. Wenn auch die Estepartnerschaft und der in Gründung befindliche Hochwasserschutzverband das Konzept mitträgt, wäre eine gemeinschaftliche Finanzierung von Hamburg und Niedersachsen möglich, wobei unserer Ansicht nach der höhere Anteil auf niedersächsischer Seite läge. Wenn man nur einmal über seinen ideologischen Tellerrand hinausschauen würde, könnte man zusammen mit Niedersachsen ein Schöpfwerk bauen, dass dem Hochwasserschutz der gesamten Este und dem ganzen Hinterland dient, gerade auch in Cranz. Wenn Hamburg klug ist, geht es auf diese Forderung ein, denn leichter kann man an der Este zu keinem Schöpfwerk kommen.
Wir hoffen im Interesse der Bürger in Cranz und für alle betroffenen Bürger im Hinterland, dass Hamburg zu einer realistischen Einschätzung der Gefahrensituation und der Maßnahmen kommt.
Für uns sind folgende Prioritäten wichtig:
- Sicheres Management für das äußere Sturmflutsperrwerk an der Estemündung; Wirkungsvolle Prävention gegen die Verschlickung des Sperrwerkes; deshalb regelmäßiges Ausbaggern im gesamten Bereich der Estemündung.
- Planung und Bau eines Schöpfwerkes im Zusammenhang mit der Deicherhöhung:
Dies ist als Ergänzung zu allen Retentionsmaßnahmen der Estepartnerschaft zu sehen.
Möglichkeit gegen Hochwasserstände zu schöpfen, um im Notfall kritische Hochwasserstände und lange Deichbelastungen zu vermeiden. - Die BUKEA muss sich zum Ziel setzen – trotz Priorität der Deichsicherheit – Hochwasserschutz und landschaftstypische Baustruktur in Cranz durch geeignete Maßnahmen in Einklang zu bringen.
Mir drängt sich der Eindruck auf, die BUKEA verbindet den Bau von Schöpfwerken mit der Nichtexistenz von Sperrwerksbauten, und ist daher für derartige Vorschläge komplett blockiert.