Chronologie einer „Beinahe – Katastrophe“

Wir alle haben in den letzten 3-4 Tage zwei große Orkane mit Sturmflut erlebt. Wir haben schon Stimmen gehört, die zugegeben haben, dass durch die Vorkommnisse der letzten Tage ihr Gefahrenbewusstsein deutlich gestiegen sei.

Vorab: Was bezeichnen wir als Katastrophe?

Wenn bei uns das Wasser bis in die Keller oder sogar in die Häuser läuft!

Das ist für uns bereits eine Katastrophe, denn das schädigt unser Eigentum und wäre bei wirkungsvollem Hochwasserschutz vermeidbar.
Es ist nicht dazu gekommen!! Gott sei Dank.

Aber es war knapp. Knapper als manch einer denkt.

Was war im Einzelnen geschehen?

Der erste Sturm am 16.2. kam direkt aus Nordwest, der kritischen Sturmlage für die Elbe, und drückte sehr viel Wasser in die Elbe und in die Este. Gleichzeitig hatten wir schon seit längerem einen stetigen Regen – nicht extrem stark aber langandauernd. Alle Böden – gerade auch an der Obereste – sind durchweicht und gesättigt. Es fließt z. Zt. viel Wasser die Este hinunter.

Hochwasser bis ans Haus kurz vor der Kellerflutung in Estebrügge. Keine Naturkatastrophe, sondern durch späte Sperrwerksschließung erzeugt.

Schon vorher waren die Schließzeiten des inneren Estesperrwerkes in Cranz schon länger geworden und die Niedrigwasserstände stiegen ebenfalls. Aber es war noch nicht kritisch.

Um Mitternacht vom 16.2. zum 17.2. war der Niedrigwasserstand erreicht. Schon um 2:00 Uhr nachts wurde das innere Sperrwerk geschlossen, um den Stauraum der noch größtenteils leeren Este als Stauraum für das zufließende Oberwasser der Geest zu haben. Das zufließende Wasser der Obereste ließ den Pegel der Este pro Stunde um 13-14cm steigen.  Um ca. 10:30 Uhr war ein Pegel von 700cm PN erreicht (entspr. 2m Über NN) und Das Wasser stand an der Uferkante.
Der Flutzyklus war vorbei und das innere Sperrwerk konnte wieder geöffnet werden.

Aber bereits um 12:00 Uhr rief das WSA bei uns an und fragte, ab bei uns noch alles in Ordnung sei.
War es! Aber das nächste auflaufende Hochwasser war inzwischen bereits da, und das Sperrwerk musste gleich wieder geschlossen werden. Es waren aber zu dieser Zeit nur entsprechend 40cm -Pegelabsenkung abgeflossen. Die Este war noch sehr voll und ein voller Flutzyklus lag zeitlich vor uns.

Wenn das Oberwasser jetzt im gleichen Tempo weiter zugeflossen wäre, hätten wir unsere Katastrophe gehabt.

Aber jetzt machte sich zum Glück bemerkbar, dass die Este an anderen Stellen über die Ufer trat und in Gräben und große Vordeichflächen fließen konnte. Von da an, verlangsamte sich der Pegelanstieg und blieb bei 730cm PN stehen.
Inzwischen war es ca. 19:00 Uhr und das Innere Sperrwerk konnte wieder geöffnet werden.

Und jetzt hatten wir großes Glück. Denn der Wind hatte sich etwas gedreht, sodass der Druck auf die Elbmündung abnahm. Jetzt konnte das Wasser besser abfließen, was man zuerst am Pegel in Cuxhaven beobachten konnten. Jetzt konnten Elbe und Este ihr Wasser loswerden. Der Niedrigwasserpegel nahm stärker ab, ca. halb so tief wie bei normaler Tiede.

Aber wir hatten in der Este wieder mehr Stauraum zur Verfügung. Dieser Stauraum reichte aus, um das Oberwasser der Este am 18.2. wieder aufzunehmen und die Gefahr war vorerst gebannt.

Inneres Estesperrwerk in Cranz

Eines wurde uns klar:

Wäre der zweite Orkan genauso kritisch gewesen wie der erste, hätte das Sperrwerk überhaupt nicht mehr öffnen können, und das Oberwasser hätte auch die Vordeichgebiete und uns geflutet.

Wir haben also wirklich Glück gehabt.

Aber auch zwei andere Dinge sind sehr deutlich geworden:

  1. Die bestehenden Vordeichgebiete sind extrem wichtig als Ausuferungsflächen für den Fluss.
    Das Ausufern der Este verlangsamt den Pegelanstieg erheblich. Hier darf es keine weiteren Verwallungen entlang der Este geben.
  2. Hätten wir ein Schöpfwerk an der Estemündung, könnte es in einer solchen Gefahrensituation gegen den Pegelanstieg pumpen und die Pegelhöhen im Hinterland kontrollieren.

Gerade jetzt hat die Hamburger Bürgerschaft einstimmig den Senat beauftragt, ein Mündungsschöpfwerk an der Süderelbe und an der Estemündung zu prüfen.

Wir halten das für eine ganz wichtige Entscheidung, die wir voll unterstützen.

Wir hoffen, dass auch die niedersächsische Politik aller Ebenen auf diesen Bürgerschaftsbeschluss positiv reagiert. Die Estepartnerschaft müsste dieses Thema als Erweiterung der bisherigen Planung aufgreifen und zusammen mit Hamburg vorantreiben.

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